Seit dem Beginn des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 stehen Räume und Grenzen verstärkt auf der Agenda der Osteuropawissenschaften. Welch wichtige Rolle raum- und grenzbezogene Debatten und mit ihnen verbundene Aneignungs- und Umdeutungsprozesse spielen, zeigen die Beiträge des neuen Themenschwerpunkts.
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Die Grundzüge der Debatte sind keineswegs neu: Die Diskussion über den Kalten Krieg und speziell die Mitteleuropaidee in den 1980er und 1990er Jahren, der Zerfall der Sowjetunion und Jugoslawiens oder die Erweiterungen der Europäischen Union haben immer wieder unser Nachdenken über Räume und Grenzen angeregt und herausgefordert.
Das Verhältnis zwischen Russland und der Ukraine rückte bereits 2014 ins Zentrum der Aufmerksamkeit, nach der Annexion der Krim durch Russland und dem Beginn des Krieges in der Ostukraine. Nun hat aber der Angriffskrieg unter Missachtung internationalen Rechts diesem Konflikt eine epochenmachende und globalen Bedeutung versehen. Die aggressiv-imperiale Rhetorik und Politik des Regimes um Vladimir Putin hat ein neues Bewusstsein für das Nachdenken über Raum und Politik geschaffen und eine Diskussion über die notwendige Dekolonisierung der Geschichte Russlands und der Sowjetunion eröffnet, in deren Zuge die Frage nach der Ukraine als Akteur in der europäischen Geschichte völlig neu zu bestimmen sein wird.
Zum Krieg gegen die Ukraine hat Copernico schon eine ganze Reihe von Beiträgen veröffentlicht. Die Beiträge dieses Themenmoduls sollen nun einen vergleichenden Blick auf die Verbindung zwischen Raum, Grenze, Politik und Gesellschaft eröffnen: Sie reichen von Grenzziehungen unterschiedlichster Art über Kultur- und Naturlandschaften, städtische Räume bis hin zu Reiseberichten und Schlaglichter des Lebens an einer Grenze.