Die Republik Polen hat eine bewegte Geschichte – so auch die Namen ihrer Orte. Kaum eine Stadt oder ein Dorf besitzen nur einen einzigen Ortsnamen. Insbesondere für die historische Forschung gestaltet sich die Angelegenheit teilweise sehr kompliziert.
Einleitung
Text
Die eindeutige Benennung aller Orte scheint für uns selbstverständlich. Wir erklären damit, wo wir herkommen oder wo wir hinwollen, nutzen sie zur Navigation oder um bestimmte Ereignisse damit zu verknüpfen. In der Beschäftigung mit Vergangenheit werden Ortsnamen in vielen Fällen mit zusätzlicher Bedeutung aufgeladen. Verdeutlichen lässt sich das an besonders markanten Beispielen. So sprechen wir bei Auschwitz und Oświęcim theoretisch von zwei Benennungen – historisch und aktuell – derselben Lokalität, implizieren aber durch die Wahl des Namens bereits entweder den Kontext eines nationalsozialistischen Vernichtungslagers oder verweisen auf eine aktuell vorhandene Stadt in Kleinpolen. Besonders in der von Kriegen und Grenzverschiebungen geprägten Geschichte Polens hat kaum ein Ort nur einen Namen. Für die Gebiete, die zwischen Preußen und Polen im Wechselspiel der Mächte mehrfach ihre staatliche Zugehörigkeit änderten, wird heute oftmals von bis zu drei Namensvarianten ausgegangen, die in eine Betrachtung miteinbezogen werden. Für die Geschichtsschreibung gestaltet sich die Sache komplexer, denn es stellt sich immer die Frage, welche Namensvariante von den jeweiligen Zeitgenossen gewählt wurde. Die Herausforderung möge anhand von Episoden aus drei Zeitepochen der gemeinsamen Geschichte verdeutlicht werden.
Die Rolle der Ortsnamen im preußischen Territorialstaat
Text
Das Bedürfnis nach einer eindeutigen Definition von geographischen Objekten setzt ein System voraus, das ebendiese Objekte über die Grenzen eines lokalen Raums hinweg wiederfinden und eindeutig zuordnen können muss. In Preußen entstand dieses Bedürfnis mit der Entwicklung des frühneuzeitlichen Verwaltungsstaates. Unter Friedrich Wilhelm I. wurde im Jahr 1715 im 
Königreich Preußen
dan. Kongeriget Preussen, pol. Królestwo Prus, eng. Kingdom of Prussia

Das Königreich Preußen bestand von 1701 bis 1918 und wurde von der Dynastie der Hohenzollern regiert. Das Land war von der Gründung bis 1848 eine absolute Monarchie und von 1848 bis zur Auflösung eine konstitutionelle Monarchie. Hauptstadt des Königreiches Preußen war Berlin. Das Land wurde von ungefähr 40 Millionen Menschen bewohnt. Nach der Novemberrevolution 1918 und der Abdankung Wilhelms II. löste sich das Königreich auf und bildete den Freistaat Preußen.

 (Ostpreußen) der Generalhufenschoß Generalhufenschoß Eine unter Friedrich Wilhelm I. im Jahr 1715 eingeführte Grundsteuer. Sie ersetzte viele Einzelregelungen und besteuerte alle Grundbesitzer. Bei der Festsetzung wurden verschiedene Informationen gesammelt und die Höhe der Steuer auch von beispielsweise der Qualität des Bodens abhängig gemacht. eingeführt: Eine Grundsteuer, die von allen Untertanen zentral zu entrichten war. Für die Umsetzung brauchte es etwas, das man heute als Daten bezeichnen würde. So erfassten die preußischen Beamten unter anderem die Qualität und Größe der Güter sowie die Namen der Besitzer und der Orte. Der Ortsname diente zunächst also der Lokalisierung eines zu besteuernden Grundstücks. Im Jahr 1718 führte die preußische Verwaltung außerdem ein Gesetz ein, das die Veränderung von Ortsnamen ohne Genehmigung verbot. Diese erkannte also, dass das Steuersystem davon abhängig war, dass die Bezeichnungen nicht ohne Einwilligung des Gesetzgebers verändert wurden. Oder anders ausgedrückt: Ein System, das nicht darauf ausgelegt ist ständige Veränderungen zu erfassen, ist gezwungen, den Veränderungen Einhalt zu gebieten. Im Laufe des 18. Jahrhunderts annektierte Preußen weite Teile des heutigen Polen – unter anderem in den Schlesischen Kriegen Schlesischen Kriegen Mit den Schlesischen Kriegen sind drei Auseinandersetzungen zwischen dem Königreich Preußen und der Habsburger Monarchie gemeint. Schon während des ersten Kriegs (1740-1742) sicherte sich Preußen den Großteil Schlesiens, der zweite Krieg (1744-1745) konnte hieran nichts ändern. Der dritte Krieg (1756-1763), war der Hauptkonflikt des Siebenjährigen Krieges auf dem europäischen Festland. Nach dem dritten Krieg wurde die Übergabe Schlesiens offiziell bestätigt. (1740-1763) sowie in den Teilungen Polen-Litauens Teilungen Polen-Litauens Im Zuge dreier Teilungen in den Jahren 1772, 1793 und 1795 wurde die Adelsrepublik Polen-Litauen zwischen dem Russländischen Reich, Preußen und der Habsburgermonarchie aufgeteilt und verschwand bis 1918 als souveräner Staat von der politischen Landkarte Europas. (1772-1795). Der preußische König ließ gleiche oder ähnliche Steuersysteme auch in den ehemaligen polnischen Territorien einführen, beispielsweise in der Provinz Westpreußen im Jahr 1772, und auch hier mit zeitlichem Abstand 1775 ein Ortsnamengesetz.
Vielfältigkeit durch Einheitlichkeit
Text
Die neue Provinz Westpreußen musste zunächst geographisch erschlossen werden. Dies geschah mit der Friderizianischen Landesaufnahme Friderizianischen Landesaufnahme Bezeichnet ein Kartenwerk, das in den Jahren 1772 und 1773 entstand. Hiermit wollte das Königreich Preußen eine Grundlage für die Einführung des Generalhufenschoßes in Westpreußen schaffen. 1772/73. Eine besondere Herausforderung waren vorhandene Sprachbarrieren – der Anteil der deutschsprachigen Bevölkerung lag in Westpreußen unter 50 %. Die Erhebung von Daten, auch von Ortsnamen, gestaltete sich dementsprechend schwierig. Die meist nur deutschsprachigen Beamten und Landvermesser versuchten die Ortsnamen, angelehnt an die Aussprache der einheimischen Bevölkerung, schriftlich zu erfassen. Das dabei entstandene Klassifikationskataster Klassifikationskataster Die Zusammenstellung aller notwendigen Informationen für die Besteuerung. Die dabei entstandenen Akten wurden nach Kreisen geführt und stellten für jeden Ort im Kreis alle Angaben zur Verfügung, die notwendig waren, die Steuer festzulegen. verdeutlicht das Vorgehen. Im Abschnitt für den Kreis Inowraclaw (pol.: Inowrocław) ist nicht nur der Name des Kreises selbst in der Schreibung variierend, beispielweise als Inowratzlaw, sondern generell die Schreibweisen aller Ortsnamen sehr vielfältig. Der Ort Lonkoczino, wie er im Register aufgeführt wird, ist in dem Kataster auch unter den Schreibweisen Lonkoczin, Lonckortschin, Lonkortschin, Longkortschin zu finden. Auf eine polnische Schreibweise des Ortsnamens – heute wäre es Łąkocin – verzichteten die Beamten, polnische Diakritika wurden ebenfalls nicht verwendet.
Text
Neben diese Varianten der Ortsnamen gesellten sich weitere, denn auch die Kartenmacher dieser Zeit versuchten, die Ortsnamen ihrem Verständnis nach wiederzugeben. Auf einem Kartenausschnitt der Schroetterschen Landesaufnahme, eines detaillierten Kartenwerks Ost- und Westpreußens, das in den Jahren 1796-1802 entstand, findet sich der Ortsnamen Lonkocin, der eine weitere Schreibform des Namens darstellt. Sowohl die preußischen Beamten als auch die Kartenmacher zeigten eine ähnliche Vorgehensweise. Orte wurden meist nicht umbenannt, aber die Schreibweise der Ortsnamen verändert. Eine Normierung der Schreibweise, wie wir sie heute erwarten würden, fand nicht statt. Die gesetzliche Lage, die der preußische Verwaltungsstaat schuf, war nur auf die Funktionsfähigkeit des Steuersystems ausgelegt. Eine Einheitlichkeit in der Aussprache der Ortsnamen war für die preußischen Beamten zunächst ausreichend. Damit entstanden bei gleichem Ausgangsnamen verschiedene Formen, also zumindest in der Schreibweise auch verschiedene Ortsnamen.
Nationalbewegungen und Ortsnamen
Text
Die deutsche Nationalbewegung, die 1871 zur Gründung des Deutsches Reiches führte, hatte auf viele Bereiche der Politik und Gesellschaft Einfluss. Untertanen eines Königreichs wurden nun auch zu Staatsbürgern eines deutschen Nationalstaates, die östlichen Provinzen Preußens wurden zum Osten des Deutschen Reiches. Das deutsche Kaiserreich definierte eine Nationalsprache und grenzte die Mehrheit von den Minderheiten ab. Auch Ortsnamen wurden zu einem Mittel nationaler Legitimation. Landbesitzer und staatliche Organe nahmen immer mehr Einfluss auf die Ortsnamen. Es kam zu Umbenennungen, bei denen besonders "fremdsprachliche Elemente" "fremdsprachliche Elemente" Fremdsprachliche Elemente werden je nach geltenden Maßstäben verschieden interpretiert. In preußischer Zeit wurden darunter oftmals nur Namen/Namensbestandteile, die der ‚deutschen Zunge‘ ungeläufig waren, verstanden. In der NS-Zeit hingegen wurden weitreichend alle Elemente beseitigt, die den jeweiligen Akteuren nach ‚nicht-deutsch‘ waren. So wurde beispielsweise das Präfix ,Wendisch‘ bei allen Ortsnamen verändert. Eine neutrale/objektive Erklärung des Begriffes gibt es nicht. aus dem nun nationalen deutschen Raum nach und nach getilgt werden sollten. Neben kompletten Neubenennungen wurden vorhandene Ortsnamen auch sprachlich angepasst. Die Zeitgenossen wählten Schreibweisen, die dem Deutschen geläufig waren, oder änderten fremdklingende Endungen. Allgemein wird dieses Vorgehen als Germanisierung bezeichnet. Solche Prozesse geschahen teilweise nebeneinander und nicht einheitlich. Somit kam es zu Situationen, in denen beispielsweise Ortsname, Bahn-Stationsname und der Name der Postbehörde verschiedene waren.
Nach dem Ersten Weltkrieg entstand zunächst nach über hundert Jahren wieder ein unabhängiger polnischer Staat. Die Zweite Polnische Republik und die Weimarer Republik standen in einer Konkurrenz um die Legitimation ihrer nationalen Territorien. Auch dieser Konflikt wurde unter anderem durch Ortsnamen geführt. Spätestens nach der Machtergreifung 1933 hatte es auf deutscher Seite Umbenennungen im vierstelligen Bereich gegeben, insbesondere in den deutsch verbliebenen Teilen Schlesiens sowie in Ostpreußen. Auch auf polnischer Seite wurden zahlreiche Ortsnamen verändert oder wiederhergestellt. Als Gegenstück einer Germanisierung etablierte sich eine Polonisierung, die ihrerseits nationalpolnischen Raumanspruch belegen sollte. So findet man auf zeitgenössischen polnischen Karten für die bereits genannten Beispiele die Schreibweisen Łąkocin und Inowrocław. In der Zweiten Republik Polen kam es 1934 sogar zur Gründung einer Ortsnamenkommission, einer bis dahin neuen Form von Behörde, die die Entscheidung über die Benennung, Umbenennung und Verwendung von amtlichen Ortsnamen zentral regelte.
Höhepunkt der Germanisierung
Text
Kaum 20 Jahre nach der Wiedererlangung der Souveränität wurde der Staat jedoch wieder zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion aufgeteilt. Aus der neuen Verteilung gingen territoriale Gebilde wie der 
Wartheland
pol. Okręg Warcki, pol. Okręg Rzeszy Kraj Warty, deu. Warthegau, deu. Reichsgau Posen, eng. Reichsgau Wartheland

Der Reichsgau Wartheland, auch bekannt als Warthegau, war ein nationalsozialistischer Verwaltungsbezirk im besetzten Polen, der von 1939 bis 1945 bestand. Der Reichsgau war in größeren Teilen deckungsgleich mit der historischen Landschaft Großpolen und hatte 4,5 Millionen Einwohner:innen. Hauptstadt war das heutige Poznań, dt. Posen.

Die fast sechsjährige Besatzungszeit war geprägt durch die brutale Verfolgung und Ermordung der polnischen und jüdischen Bevölkerung einerseits und der gezielten Neuansiedlung deutschsprachiger Bevölkerungsteile andererseits.

Bild: „Karte der Verwaltungseinteilung der deutschen Ostgebiete und des Generalgouvernements der besetzten polnischen Gebiete nach dem Stand vom März 1940“, Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung – Institut der Leibniz-Gemeinschaft, Kartensammlung, Inv.-Nr. K 32 II L 43. bearbeitet von Copernico (2022). CC0 1.0.

 hervor. Weder in diesen Grenzen, noch dem Namen nach hatte es diesen vorher jemals gegeben. In den folgenden Jahren kam es zu einer Germanisierungswelle in den annektierten polnischen Gebieten, gleichzeitig war es eine Phase eines vorher nicht gekannten Durcheinanders nebeneinander existierender Ortsnamen. Der Gauleiter Wartheland Arthur Greiser eröffnete, ohne Abstimmung mit Berlin, schon ab September 1939 die Möglichkeit, weitreichend alle Spuren 'fremdländischer Ortsnamen' 'fremdländischer Ortsnamen' Fremdländische Ortsnamen werden je nach den geltenden Maßstäben verschieden interpretiert. In preußischer Zeit wurden darunter oftmals nur Namen/Namensbestandteile, die der ‚deutschen Zunge‘ ungeläufig waren, verstanden. In der NS-Zeit hingegen wurden weitreichend alle Elemente beseitigt, die den jeweiligen Akteuren nach ‚nicht-deutsch‘ waren. So wurde beispielweise das Präfix ,Wendisch‘ bei allen Ortsnamen verändert. Eine neutrale/objektive Erklärung des Begriffes gibt es nicht. zu beseitigen. Das Reichsinnenministerium in Berlin erließ seinerseits klare Anordnungen erst im Dezember 1939. Hiermit begann ein Durcheinander vermeintlich amtlicher Ortsnamen. Manche Orte wurden in den folgenden Jahren bis zu viermal umbenannt. Schlussendlich wurden im Gau Wartheland gerade einmal die Ortsnamen der Land- und Stadtkreise mit Erlass des Reichsministers des Innern vom 21. Mai 1941 und 12. September 1942 endgültig festgelegt. Im Landkreis Wollstein (pol. Wolsztyn) beispielsweise änderte der Landrat 81 Ortsnamen bereits im September 1939. Unter anderem wurden Ortsnamen wie Volkstreu (pol. Drzymałowo) gebildet, die dem vor 1918 geltenden Kaisertreu eine Anpassung an die nationalsozialistischen Vorstellungen geben sollte. Allerdings wurden diese Ortsnamen mit Verordnung des Reichsinnenministeriums vom Dezember 1939 offiziell für ungültig erklärt. Weitere Umbenennungen folgten. So wurde beispielweise bei dem Ort Kielpin (pol. Kiełpiny) auch die Ortsnamen Kilpiny, Kölpin, Kölpen und Breitenkelpin vorgeschlagen und teilweise von einzelnen Behörden genutzt.
Text
Die Kartenmacher der NS-Zeit mussten auf die Vorläufigkeit der Ortsnamen hinweisen und konnten nicht gewährleisten, dass alle gewählten Namen amtlich anerkannt waren. Der Vergleich mit der ersten Karte zeigt deutlich das veränderte Vorgehen im 19. und 20. Jahrhundert. Die Suche nach Inowrocław würde vergeblich sein. Der Ort wurde zunächst in seiner Schreibung an das Deutsche in Inowrazlaw angepasst, bevor er 1904 in Hohensalza umbenannt wurde. In der Zweiten Republik Polen hieß der Ort wieder Inowrocław und ab 1939 erneut Hohensalza. Ein Łąkocin führt diese Karte nicht, doch wurde auch dieser Ort 1939 in Grünwiese umbenannt. Insgesamt zeigt die Karte im Vergleich ein deutlich ‚deutscheres‘ Bild. Zu den Verdeutschungen von Ortsnamen gesellten sich ab 1939 auch ideologisch-nationalsozialistische Ortsnamen. Bekannte Beispiele sind sicherlich Gotenhafen für Gdynia oder Litzmannstadt für Łódź. Auf der Karte befindet sich beispielweise ein Gotendorf (pol. Gocanowo). Nicht alle Umbenennungen der NS-Zeit sind als solche so deutlich zu erkennen, beispielweise Grünholm (de. Chelmce, pl. Chełmce) oder das eben erwähnte Grünwiese.
Entgermanisierung und die Wiedergewonnenen Gebiete
Text
Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges kam es zu einer weiteren Änderung der Grenzen. Polen wurde nach Westen verschoben. Besonders in den sogenannten ‚Wiedergewonnenen Gebieten‘ ‚Wiedergewonnenen Gebieten‘ Pol. Ziemie Odzyskane, Bezeichnung für die nach 1945 an Polen gefallenen Gebiete im Westen. Die Bezeichnung der Gebiete als ‚wiedergewonnene‘ sowie weitere historische Erklärungen wurden herangezogen, um die polnischen Ansprüche auf diese Gebiete gegenüber Deutschland zu legitimieren. begann in den kommenden Jahren ein Prozess der Massenumbenennungen. Nach 1945 wollte die polnische Regierung alle deutschen Spuren beseitigt wissen. Die Wirren der Nachkriegszeit und eine fehlende gesetzliche Grundlage führten zunächst dazu, dass verschiedene Akteure begannen umzubenennen. Das waren neben den neuen lokalen Behörden und den polnischen Siedlern, die die vertriebenen deutschen Bewohner ersetzten, auch Institutionen wie die Staatsbahn oder das Westinstitut Westinstitut Das Instytut Zachodni mit Sitz in Poznań, Polen wurde im Jahr 1945 gegründet. In den ersten Jahren nach der Gründung setzte es sich hauptsächlich mit der polnischen Geschichte in den Westgebieten Polens auseinander und war maßgeblich an den Umbenennungen in der Nachkriegszeit beteiligt. Das Institut besteht bis heute.   in Poznań. So entstanden unabhängig voneinander und nebeneinander auch hier mehrfach neue Ortsnamen. 1946 begann die Arbeit einer offiziellen Ortsnamenkommission. Sie beschäftigte sich zunächst mit den ‚Wiedergewonnenen Gebieten‘. Die Kommission arbeitete mit Hochdruck an der Umsetzung dieses Unterfangens. Stanisław Rospond veröffentlichte 1951 das Ortverzeichnis „Słownik Nazw Geograficznych Polski Zachodniej i Północnej“1  , das insgesamt 32.138 neue geographische Benennungen aufführt. Die Ortsnamen der Kommission, eigentlich die einzigen amtlichen, setzten sich aber nicht zwangsläufig innerhalb der Bevölkerung durch. Selbst manche lokalen Behörden benutzten sie nicht. So hatte beispielsweise 1946 das ehemalige Stolpmünde den polnischen Namen Ustka von der Ortsnamenskommission bekommen, die Stadtverwaltung nannte es allerdings Postomino, die Post Nowy Slupsk. Gleichzeitig war auch der Name Słupi ujście in Umlauf. Auch die Volksrepublik Polen griff teilweise auf ideologische Namensgebung zurück, ein bekanntes Beispiel stellt die Umbenennung von Katowice in Stalinogród im Jahr 1953 dar.
Ein Raum, zwei Karten
Text
Mit der Potsdamer Konferenz  1945 stellten die Alliierten deutsche Gebiete östlich von Oder und Neiße unter polnische Verwaltung – sicherten aber keine dauerhaften Besitzrechte. Somit war die Führung Polens daran interessiert, feste Tatsachen zu schaffen, unter anderem durch eine möglichst schnelle Polonisierung der Ortsnamen. Die DDR erkannte die neue Grenze bereits 1950 an und verwendete die polnischen/amtlichen Ortsnamen. Die Bundesrepublik hingegen erkannte Polens Hoheit über das Territorium nicht an und führte die amtlichen deutschen Ortsnamen weiter, die bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gegolten hatten. Da aus westdeutscher Sicht die endgültige rechtliche Lage der Gebiete nicht geklärt war, war es der Volksrepublik und der Bundesrepublik zeitgleich möglich, offizielle Ortsverzeichnisse und Karten herauszubringen.
Text
Das Beispiel zweier Karten aus den 1950er Jahren zeigt – wieder am Ausschnitt um Inowrocław –, wie zwei vollkommen verschiedene Repräsentationen des gleichen Raumes benutzt wurden. Während die polnische Karte nur noch polnische Ortsnamen führt, so unter anderem auch wieder Inowrocław, führt die deutsche Karte weiterhin den deutschen Namensbestand – jedoch nicht den gleichen wie die letzte Karte, da auf Umbenennungen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs verzichtet wurde. So heißt der auf dem letzten Kartenbeispiel als Grünholm (pl. Chełmce) bezeichnete Ort auf der deutschen Karte Chelmce. Hohensalza, als eine Umbenennung von 1904, bleibt dagegen erhalten. Interessant ist aber schon an der deutschen Karte, dass das dargestellte Gebiet auch in der Zwischenkriegszeit nicht mehr zur Weimarer Republik gehörte.
Die vielen Ortsnamen – eine Bilanz
Text
Die Einführung eines zentralen Steuerwesens im Königreich Preußen machte die eindeutige Lokalisierung geographischer Objekte im Raum zu einer Notwendigkeit. Mit der Zeit vermehrten sich Gründe und Akteure für die Benennung, Umbenennung und Standardisierung der Ortsnamen. So führten der Ausbau der Eisenbahn oder das vergrößerte Postaufkommen dazu, dass auch diese Akteure für sich den Raum eindeutig ordnen können mussten. Die Nationalisierung der Gesellschaft im 19. Jahrhundert gab Ortsnamen eine neue, weitere Bedeutung. Sie sollten nun nicht mehr nur eindeutig lokalisieren können, sie sollten zudem die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Nationalstaat, einer bestimmten Nationalität ausdrücken. All diese Prozesse führten zu einer vermehrten Auseinandersetzung und zu nebeneinander und zeitgleich konstruierten Raumvorstellungen, insbesondere in Form von Karten, Plänen oder Ortsverzeichnissen. Die heute verbreitete Vorstellung von drei Ortsnamen, also einem amtlich-polnischen sowie einem überlieferten deutschen und einer Benennung aus der NS-Zeit, ist eine Konstruktion der Nachkriegszeit. Diese soll vor allem NS-Geschichte von der restlichen deutschen Geschichte trennen. Für die Forschung müssen weitaus mehr Namensformen in die Betrachtung miteinbezogen werden. Verschiedene Schreibweisen, vorschnelle Umbenennungen, nebeneinander genutzte Ortsnamen sind nur einzelne der Faktoren, die berücksichtig werden müssen. Daneben existieren weitere Ortsnamen, die in diesem kurzen Aufsatz keine Erwähnung fanden. So gibt es beispielweise zahlreiche dialektale Versionen, die dem Homogenisierungswillen nationalstaatlicher, insbesondere nationalsprachlicher polnischer und deutscher Politik anheimfielen. Für die Geschichtsforschung sind jedwede Namensformen relevant. Solange sie von den Zeitzeugen genutzt wurden, ist es ohne ein Wissen um diese nicht möglich, Quellen eindeutig einem Raum zuzuordnen.

Siehe auch